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https://www.youtube.com/watch?v=WeToa16WzT4
Dr. Robert Wimmer, TU Wien
Ein Strohballenbau ist ein Bauwerk, für dessen Wandaufbau Strohballen eingesetzt werden. Bei dieser Bauweise kommen überwiegend lokal oder regional verfügbare Ressourcen zum Einsatz (Holz, Stroh, Lehm, Schilf etc.). Verglichen mit herkömmlichen Bauweisen ist der Strohballenbau arbeitsintensiver, dafür aber kostensparender.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Den Strohballenbau (bzw. die Strohballen-Architektur) gibt es seit Ende des 19. Jahrhunderts. In Nebraska wurden die Ballen von Wanderarbeitern wie Ziegelsteine zum Wandaufbau eingesetzt.[2] Später entwickelte sich in den USA die Ständerbauweise mit Holzständerwerk. Während ursprünglich die Ballen aus Mangel an Holz zum Häuserbau verwendet wurden, stehen heutzutage die bauphysikalischen Eigenschaften der Strohballen im Vordergrund. Nach Angaben des Fachverbands Strohballenbau gibt es in Deutschland rund 80 Strohballen-Wohnhäuser sowie einige kleinere Geschäftsgebäude, nahezu ausschließlich in Ständerbauweise.
Die lasttragende Bauweise hat sich bisher aus baurechtlichen Gründen nur in der Schweiz etabliert. Sogenannte „Hybridkonstruktionen“ haben sich in den letzten Jahren durchgesetzt und wurden auch schon in Deutschland errichtet (Haus „Schmid-Hermanutz“, Langenau bei Ulm). In Nax Mont-Noble, in den Schweizer Alpen, wurde im Oktober 2011 mit der Konstruktion des ersten Hotels begonnen, das ausschließlich aus Strohballen besteht. Das „Maya Boutique Hotel“ wurde im Oktober 2012 eröffnet. Bemerkenswert ist, wie das Duschwasser erhitzt wird, indem überschüssige Wärme gespeichert wird. Bei den Gebäuden handelt es sich um eine Hybridkonstruktion.[3]
Konstruktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Es wird zwischen tragender und nichttragender Bauweise unterschieden. Bei der tragenden Strohballenbauweise bestehen die Wände gänzlich aus Strohballen und die Dachlast wird über die Strohballen getragen. Bei der nichttragenden Bauweise bildet ein Holzständerwerk das Tragwerk und die Zwischenräume (Gefache) werden mit Stroh ausgefüllt. Diese Konstruktionsart entspricht weitgehend dem Holzrahmenbau oder auch dem klassischen Fachwerkhaus[4]. Darüber hinaus wurden zahlreiche Mischformen ausprobiert. Es gibt auch sogenannte „Hybridkonstruktionen“: Ein Teil der Last wird über das Stroh abgetragen, der andere Teil über eine unterstützende Holzkonstruktion (ca. 50/50). Diese Bauweise verbindet die Vorteile beider Konstruktionsprinzipien: Starke Pressung der Strohballen für hohe Dämmwerte und kontrolliertes Setzverhalten. Dieses Konstruktionsprinzip wurde von Architekt Werner Schmidt seit 2001 in der Schweiz entwickelt und ist mittlerweile sehr ausgereift (im Jahr 2011: 20 bestehende Gebäude).[5]
Bei der Konstruktion eines Strohballenbaus muss besonders auf wirksamen konstruktiven Feuchteschutz geachtet werden, da feucht gewordene Strohballen ihre Dämmwirkung verlieren und der biologische Abbau (Verfaulen) beginnt. Auf einen ausreichenden Dachüberstand sowie eine Feuchtigkeitssperre gegenüber dem Boden, zum Beispiel durch ein Punktfundament, ist in jedem Fall zu achten.
Der ideale Putz eines Strohballenhauses besteht aus einem Grundputz aus Kalk mit einem Abrieb aus Lehm, da dieser eindringende Feuchtigkeit rasch aufnehmen und später wieder abgeben kann.
Die Außenwände werden entweder als hinterlüftete Fassade ausgeführt, zum Beispiel als Holz- oder als Putzfassade. Die Hinterlüftung bewirkt einen Kamineffekt, der eine dauerhafte Austrocknung gewährleistet und im Sommer einer Überhitzung durch Sonneneinstrahlung entgegenwirkt. Das Stroh muss in vielen Ländern direkt mit einem Material abgedeckt sein, das einem Brandwiderstand EI30 entspricht. In diesen Ländern darf kein Zwischenraum zwischen Stroh und Fassade sein, das heißt, keine direkte Hinterlüftungsebene über dem Stroh.
Baustoff Stroh[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Stroh als Baustoff ist für den ökologischen Hausbau sehr gut geeignet. Er schont die Umwelt, weil beim Wachstum des Getreides das Treibhausgas Kohlendioxid gebunden wird, das Material ohne großen Transportaufwand beschafft werden kann und eine energieintensive Verarbeitung entfällt.
Stroh ist ein guter Naturdämmstoff. Die gemessene Wärmeleitfähigkeit (Lambda10,tr) beträgt 0,038–0,067 W/(m K), damit ist die wärmedämmende Wirkung ähnlich wie die herkömmlicher Dämmstoffe. Stroh besitzt eine Ausgleichsfeuchte von 8–18 %. Fachgerecht verbaute Strohballen weisen eine große Schimmelresistenz auf. Die Rohdichte der Ballen lässt sich zwischen 80 und 210 kg/m³ einstellen. Die optimale Dichte in Bezug auf Dämmwirkung liegt bei etwa 100–120 kg/m³. Bei zunehmender Dichte steigt die Wärmeleitfähigkeit, die wärmedämmende Wirkung nimmt also ab.
Die Herstellung der Strohballen für den Hausbau erfolgt mit landwirtschaftlichen Ballenpressen. Die Ballen enthalten ausschließlich Stroh und außer den für den Zusammenhalt erforderlichen Bindeschnüren keine weiteren Zusätze.
Rechtliche Einstufung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
In Deutschland besitzen nach definierten Kriterien erzeugte Baustrohballen eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung als Wärmedämmstoff und können damit in nichttragender Bauweise verarbeitet werden.[6]
Österreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Strohballen erfüllen in Österreich die Voraussetzungen für den Brandschutz, da sie – im stark gepressten Zustand – in die Kategorie „normal entflammbar“ fallen. Das entspricht der Mindestanforderung im Baurecht. Beidseitig mit 5 cm Lehmputz versehen entsprechen moderne Strohballengebäude der Brandschutzklasse F90 (Feuerwiderstandsdauer 90 min), was einer 20 cm dicken Betonwand entspricht.[7]
Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Gernot Minke, Friedemann Mahlke: Der Strohballenbau. Ökobuch, Staufen bei Freiburg im Breisgau 2004. ISBN 978-3-936896-01-5.
- Gernot Minke, Benjamin Krick: Handbuch Strohballenbau: Grundlagen, Konstruktionen, Beispiele. 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, Ökobuch, Staufen bei Freiburg im Breisgau 2009, ISBN 978-3-936896-45-9.
- Heidi Snel: Stroh im Kopf – Ein alter Baustoff wiederentdeckt. DVD, 43 Minuten, Ökofilm, Hagelberg 2004. ISBN 3-938196-00-9.
- Heidi Snel: Moderner Strohballenbau, Stroh im Kopf Teil 2, DVD, 63 Minuten, Ökofilm, Hagelberg 2014, GTIN: 4260301390149.
- Herbert und Astrid Gruber, Helmuth Santler: Neues Bauen mit Stroh. 3. Auflage, Ökobuch, Staufen bei Freiburg im Breisgau 2008, ISBN 978-3-936896-35-0; 4. Auflage: Neues Bauen mit Stroh in Europa 2012, ISBN 978-3-936896-68-8.
- Benjamin Krick: Untersuchung von Strohballen und Strohballenkonstruktionen hinsichtlich ihrer Anwendung für ein energiesparendes Bauen unter besonderer Berücksichtigung der lasttragenden Bauweise. Universität Kassel Press, Kassel 2008, ISBN 978-3-89958-422-6 (Zugleich Dissertation an der Universität Kassel 2008).
Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Fachverband Strohballenbau Deutschland e. V.
- Österreichisches Strohballen-Netzwerk
- Das Strohballenhaus des NABU Kreisverbands Gifhorn (ausführliche Baubeschreibung)
- Werner Schmidt: Strohhaus Schmidlin-Jeker in Schweizer Wahlen Beschreibung einer lasttragenden Strohballenbauweise mit einem Video vom Bauvorgang.
- Jürg Zulliger: Baupfusch: Nur Käfer und Mäuse leben gesund im Stroh. In: Der Schweizerische Beobachter, Nr. 23/2001, 9. November 2001
- Strohballenhäuser Seit über 100 Jahren wird besonders in Nordamerika mit Strohballen gebaut – Genossenschaft Information Baubiologie, Schweiz.