Die platonischen Körper (nach dem griechischen Philosophen Platon) sind die Polyeder mit größtmöglicher Symmetrie. Jeder von ihnen wird von mehreren deckungsgleichen (kongruenten) ebenen regelmäßigen Vielecken begrenzt. Eine andere Bezeichnung ist reguläre Körper (von lat.corpora regularia).[1][2]
Es gibt fünf platonische Körper. Ihre Namen enthalten die griechisch ausgedrückte Zahl ihrer begrenzenden Flächen und eder als Abwandlung des griechischen Wortes ἕδρα (hedra) (s. auch Polyeder), deutsch (Sitz-)Fläche.
Tetraeder (Vierflächner, Oberfläche aus vier Dreiecken)
Hexaeder (Sechsflächner, Oberfläche aus sechs Quadraten) – der Würfel
Oktaeder (Achtflächner, Oberfläche aus acht Dreiecken)
Dodekaeder (Zwölfflächner, Oberfläche aus zwölf Fünfecken) – auch Pentagondodekaeder genannt, um auf die Oberfläche aus Fünfecken als seine Besonderheit hinzuweisen
Ikosaeder (Zwanzigflächner, Oberfläche aus zwanzig Dreiecken)
Die platonischen Körper sind konvex. In jeder Ecke des Körpers treffen jeweils gleich viele gleich lange Kanten zusammen, an jeder Kante treffen sich zwei deckungsgleiche Flächen, und jede Fläche hat gleich viele Ecken. Es ist also nicht möglich, irgendwelche zwei Körperecken, Kanten und Flächen aufgrund von Beziehungen zu anderen Punkten des Polyeders voneinander zu unterscheiden.
Alternativ lassen sich die platonischen Körper definieren als diejenigen Polyeder, für die es zu einem beliebigen Paar von Seitenflächen, Kanten oder Ecken immer eine Symmetrieabbildung gibt, die diese Flächen, Kanten oder Ecken vertauscht. Dies ist gemeint mit der größtmöglichen Symmetrie.
Verzichtet man auf die Ununterscheidbarkeit der Flächen und Kanten, spricht man von archimedischen Körpern. Verzichtet man dagegen auf die Ununterscheidbarkeit der Ecken und Kanten, spricht man von catalanischen Körpern. Verzichtet man auf die Konvexität, spricht man von regulären Polyedern und schließt damit die Kepler-Poinsot-Körper ein.
Die Bedingung, dass an einer Körperecke nur gleiche Polygone zusammenstoßen, wird nur von fünf Formen von Ecken erfüllt. Der Beweis dafür findet sich schon bei Euklid.[9] Er beruht auf folgenden Überlegungen:
Für eine beliebige Körperecke ist die Summe der Innenwinkel aller angrenzenden Flächen kleiner als 360°. Wäre sie genau 360°, würden die Flächen in einer Ebene liegen. Auch bei mehr als 360° wäre keine Ecke möglich.
Andererseits müssen sich an jeder Körperecke mindestens drei Flächen treffen.
Zu jedem konvexen Polyeder lässt sich ein Dualkörper konstruieren. Bei platonischen Körpern erhält man diesen, indem man die Mittelpunkte benachbarter Seitenflächen miteinander verbindet. Duale Körper im engeren Sinne haben dieselbe Kantenkugel. Einander entsprechende Kanten der dualen Körper schneiden sich in einem rechten Winkel in dem Punkt, in dem sie die Kantenkugel berühren.
Somit hat das dualePolyeder genauso viele Ecken, wie das Ausgangspolyeder Flächen hat. Der Dualkörper hat zudem genauso viele Flächen, wie der Ausgangskörper Ecken hat. Letzteres kann man sich räumlich so vorstellen, dass jede vergrößerte Fläche des Dualkörpers eine Ecke des Ausgangskörpers abschneidet. Drittens gilt, dass das Dualpolyeder und sein Ausgangspolyeder die gleiche Anzahl an Kanten haben. Dies lässt sich ebenfalls aus obiger Konstruktion ablesen: Zwei benachbarte Seitenflächen bilden gemeinsam eine Kante des Ausgangspolyeders, und die „Verbindung der zwei Mittelpunkte“ dieser benachbarten Seitenflächen stellt eine Kante des Dualkörpers dar. Man spricht deshalb auch von dimensionsumkehrender Dualität. Und die Inversion des Schläfli-Symbols liefert das dazu duale Polyeder.
Bei den platonischen Körpern, als Untergruppe der konvexen Polyeder, gibt es bezüglich deren Dualkörper noch folgende Besonderheiten: Erstens haben hier Ausgangs- und Dualkörper denselben geometrischen Schwerpunkt. Zweitens ist der Dualkörper eines platonischen Körpers auch selbst ein platonischer Körper. Dabei bilden Hexaeder (Würfel) und Oktaeder sowie Dodekaeder und Ikosaeder jeweils ein duales Paar. Das Tetraeder ist zu sich selbst dual, wobei sich jedoch das duale Tetraeder in verkleinerter zentralsymmetrischer Lage befindet, d. h., es „steht auf dem Kopf“. Drittens: Wiederholt man obige Konstruktion und konstruiert den dualen Körper zum Dualkörper, so erhält man einen verkleinerten Ausgangskörper – also einen platonischen Körper, der durch Zentrische Streckung in den Ausgangskörper überführt werden kann. Beide haben somit denselben Schwerpunkt.
Zwei ineinander gesteckte zueinander duale Tetraeder, die ein Sterntetraeder bilden
Die platonischen Körper zeigen größtmögliche Symmetrie:
Ecken, Kanten und Flächen sind untereinander gleichartig, d. h., jede Ecke (Kante, Fläche) kann durch eine Kongruenzabbildung des Körpers auf jede andere Ecke (Kante, Fläche) abgebildet werden.
Die Symmetriegruppe wirkt transitiv auf den Fahnen. (Eine Fahne ist eine Ecke auf einer Kante auf einer Fläche.)
Die fünf platonischen Körper sind daher reguläre Polyeder. Die bei ihnen auftretenden Symmetriegruppen und ihre Untergruppen gehören zu den diskreten Punktgruppen. Duale platonische Körper haben dieselbe Symmetriegruppe. Das ist die Basis für die Konstruktion zahlreicher anderer Körper, z. B. der archimedischen Körper. Es gibt also nicht fünf, sondern nur drei dieser Gruppen: die Tetraedergruppe, die Würfelgruppe und die Ikosaedergruppe. Sie spielen in unterschiedlichen Zusammenhängen in der Mathematik eine Rolle.
Aufgrund ihrer Symmetrie haben homogen gefertigte Modelle platonischer Körper die Eigenschaft, dass sie bei einem Wurf mit exakt der gleichen Wahrscheinlichkeit auf jede ihrer Flächen fallen können. Die meisten Spielwürfel sind übrigens aufgrund der Vertiefungen für die Augenzahlen nicht absolut perfekt symmetrisch.
Projiziert man die Kanten eines platonischen Körpers aus dem Mittelpunkt auf eine Kugel mit demselben Mittelpunkt, z. B. auf die Umkugel, so erhält man eine Parkettierung der Kugeloberfläche durch zueinander kongruente regelmäßige sphärische Vielecke, wobei in jeder Ecke gleich viele Kanten unter gleichen Winkeln zusammentreffen. Diese Parkettierungen haben dieselben Symmetrien wie der Ausgangskörper. Insbesondere sind sie ebenfalls fahnentransitiv. Es sind die fünf regulären Parkettierungen der Sphäre, zwischen denen dieselben Dualitätsbeziehungen bestehen wie zwischen den Körpern. In anderem Zusammenhang spricht man auch von Landkarten und dualen Landkarten.
Jede reguläre Parkettierung kann durch ein Paar { p , q } , das sogenannte Schläfli-Symbol, beschrieben werden, wobei p für die Anzahl der Kanten eines Feldes und q für die Anzahl der in einer Ecke endenden Kanten steht. Die platonischen Körper sind die dualenPaare { 4 , 3 } (Hexaeder) und { 3 , 4 } (Oktaeder), { 5 , 3 } (Dodekaeder) und { 3 , 5 } (Ikosaeder) sowie das selbstduale { 3 , 3 } (Tetraeder).
Geometrisch bedeutet das für die platonischen Körper, dass
p die Anzahl der Ecken der Seitenflächen ist. Die Seitenflächen des platonischen Körpers sind also regelmäßige p -Ecke.
q die Anzahl der Flächen/Kanten des platonischen Körpers sind, die an einer Ecke zusammentreffen.
mit den oben genannten Lösungen. Diese Beziehung folgt auch aus dem eulerschenPolyedersatz, der die Anzahl E der Ecken, K der Kanten und F der Flächen zueinander in Bezug stellt:
liefern die regulären Parkettierungen der hyperbolischen Geometrie.
Für die platonischen Körper gilt nicht nur E − K + F = 2 , sondern auch q ⋅ E = 2 ⋅ K = p ⋅ F . Dieses ausschließlich ganzzahligeGleichungssystem aus drei Gleichungen lässt sich auflösen und ergibt für die Anzahl E der Ecken, K der Kanten und F der Flächen:
E=4⋅p4−(p−2)⋅(q−2)
K=2⋅p⋅q4−(p−2)⋅(q−2)
F=4⋅q4−(p−2)⋅(q−2)
Es lässt sich also für jeden platonischen Körper nur durch die Vorgabe von p und q (siehe oben) die Anzahl der Ecken, Kanten und Flächen berechnen, ohne die genauen geometrischen Eigenschaften zu kennen.
wegen 0 < β < π , denn die platonischen Körper sind konvex.
Dafür reicht es, eine Diagonale d 2 (siehe Regelmäßiges Polygon – Diagonalen) des regelmäßigen q –Ecks zu betrachten, das von den Ecken der Kanten, die an einer bestimmten Ecke zusammentreffen, wie ein Regenschirm aufgespannt wird, und die beiden gleich langen Höhen der Endpunkte (Ecken) dieser Diagonalen auf die Kante, die die betrachtete Ecke mit der von der Diagonalen d 2 übersprungenen Ecke verbindet. Auf dieses gleichschenklige Dreieck kann der Sinus angewendet werden.
Die Seiten dieses regelmäßigen q –Ecks („Regenschirm“) sind die Diagonalen d 2 der Seitenflächen des platonischen Körpers, also der regelmäßigen p -Ecke der Seitenlänge a, die an der betrachteten Ecke zusammentreffen. Sie haben die Länge
Die Kantenlänge a erhält man u. a. aus der allgemeinen Formel für den Umkreisradius r u . Darin ist q die Anzahl der Flächen/Kanten des platonischen Körpers, die an einer Ecke zusammentreffen bzw. β der Winkel zwischen benachbarten Flächen (siehe Formeln).
a=2⋅rutan(πq)⋅tan(β2)
Euklid erklärt und beweist die Kantenlängen der fünf platonischen Körper, indem er sie mittels einer Kugel mit gegebenem Durchmesser umschreibt.[11] Die nebenstehende Konstruktionskizze zeigt die so ermittelten Kantenlängen. Werden die Werte der Kantenlängen a nach obiger Formel ermittelt, können sie jeweils in einen arithmetischer Ausdruck umgeformt werden. Der Faktor r u steht dabei für den Umkugelradius r u .
Tetraeder: a = | A F ¯ | = 8 3 ⋅ r u ≈ 1,633 ⋅ r u
tan(β2)=tan(arcsin(cos(πq)sin(πp)))=(sin2(πp)cos2(πq)−1)−12 wegen tan ( arcsin ( x ) ) = x 1 − x 2 und
cot(β2)=cot(arcsin(cos(πq)sin(πp)))=(sin2(πp)cos2(πq)−1)12 wegen cot ( arcsin ( x ) ) = 1 − x 2 x .
Platonische Körper in platonischen Körpern
Ein platonischer Körper kann dann als einbeschrieben in einen anderen platonischen Körper bezeichnet werden, wenn alle seine Ecken die Seitenflächen des äußeren Körpers berühren. In dem folgenden Schema sind auch einige interessante Fälle enthalten, wo nicht alle Ecken auf den Seitenflächen liegen. Außerdem sind in den Abbildungen außer den Ecken auch die Kanten und Flächen verdeutlicht, die jeweils den äußeren Körper berühren. Darunter ist jeweils ihre Anzahl angegeben.
Alle Graphen der platonischen Körper sind reguläre Graphen, weil an jeder Ecke dieser Polyeder die gleiche Anzahl von Kanten zusammentrifft. Der kürzeste Zyklus, die sogenannte Taillenweite, ist gleich der Anzahl der Ecken der Seitenflächen des betreffenden platonischen Körpers.
Der graphentheoretische Durchmesser und der graphentheoretische Radius stimmen überein, weil alle Knoten jeweils graphentheoretisch äquivalent zueinander sind und sich mit Hilfe von Permutationen zusammen mit dem Graphen auf einen isomorphen Graphenabbilden lassen. Daraus folgt, dass alle Knoten dieselbe Exzentrizität haben und sowohl zum Rand als auch zum Zentrum des Graphen gehören.
Netze
Platonische Körper haben wie alle Polyeder verschiedene Netze (siehe Übersicht oben). Es gibt nämlich verschiedene Möglichkeiten, ein hohles Polyeder durch Aufschneiden von einigen Kanten aufzuklappen und in der Ebene auszubreiten. Ist K die Anzahl der Kanten und F die Anzahl der Flächen des Polyeders, dann entsteht durch Aufschneiden von K − F + 1 Kanten ein Körpernetz. Die Ecken liegen dabei offensichtlich auf dem Rand des Netzes. Die anderen F − 1 Kanten verbinden jeweils die regelmäßigen Polygone des Netzes.
Jeder platonische Körper hat wie jedes konvexe Polyeder einen ihm zugeordneten ungerichteten planaren Graphen. Dieser Graph ist regulär, denn von jedem Knoten gehen 2 ⋅ K E Kanten aus, sodass der Grad für alle Knoten gleich 2 ⋅ K E ist, wobei E die Anzahl der Knoten ist. Der Knotengrad ist gleich der Anzahl der Flächen (und Kanten), die in jeder Ecke des platonischen Körpers zusammentrifft. Bei planaren Graphen ist die genaue geometrische Anordnung der Knoten unwesentlich. Wichtig ist allerdings, dass sich die Kanten nicht schneiden müssen. Die Knoten dieses Graphen entsprechen den Ecken des Polyeders.
Die K − F + 1 aufgeschnittenen Kanten jedes Netzes bilden zusammen mit den Ecken (Knoten) einen Spannbaum des Graphen. Jedes Netz entspricht genau einem Spannbaum und umgekehrt, sodass hier eine eineindeutige (bijektive) Zuordnung zwischen Netzen und Spannbäumen besteht. Wenn man ein Körpernetz ohne das äußere Gebiet als Graphen betrachtet, erhält man als dualen Graphen jeweils einem Baum mit F Knoten und F − 1 Kanten und dem maximalen Knotengrad 2 ⋅ K F . Jede Fläche des platonische Körpers wird dabei einem Knoten des Baums zugeordnet.
Diese Betrachtungen hängen mit dem Eulerschen Polyedersatz zusammen.
Duale Graphen und Färbungen
Die Anzahl der Farben, die mindestens nötig ist, um die Knoten eines Graphen so zu färben, dass benachbarte Knoten immer unterschiedlich gefärbt sind, wird chromatische Zahl genannt (siehe Knotenfärbung). Die entsprechende Zahl für die Kanten nennt man chromatischer Index (siehe Kantenfärbung). Bei den Graphen der platonischen Körpern ist sie gleich dem (maximalen) Knotengrad. Im Zusammenhang mit dem Satz von Vizing werden sie Klasse-1-Graphen genannt.
Die Knoten des Ikosaedergraphen können mit 4 Farben so gefärbt werden, dass benachbarte Knoten immer unterschiedlich gefärbt sind. Dies bedeutet, dass die chromatische Zahl dieses Graphen gleich 4 ist (siehe Knotenfärbung). Außerdem können die Kanten mit 3 Farben so gefärbt werden, dass benachbarte Kanten immer unterschiedlich gefärbt sind. Mit 2 Farben ist das nicht möglich, sodass der chromatische Index für die Kantenfärbung gleich 3 ist.
Um die entsprechende nötige Anzahl der Farben für die Flächen oder Gebiete zu bestimmen, ist der duale Graph hilfreich. Dieser graphentheoretische Begriff der Dualität ist gewissermaßen eine Analogie oder Verallgemeinerung der geometrischen Dualität von Polyedern (siehe Abschnitt oben).
Die Knoten dieses dualen Graphen werden dabei den Gebieten des ursprünglichen Graphen eineindeutig (bijektiv) zugeordnet und umgekehrt (siehe bijektive Funktion). Für den Dodekaedergraphen (siehe Abbildungen) gilt zum Beispiel: Die Knoten des dualen Ikosaedergraphen können mit 4 Farben so gefärbt werden, dass benachbarte Knoten immer unterschiedlich gefärbt sind, aber nicht mit 3 Farben, sodass die chromatische Zahl des Ikosaedergraphen gleich 4 ist. Daraus lässt sich indirekt schließen: Weil die chromatische Zahl gleich 4 ist, sind 4 Farben für eine solche Flächenfärbung des Dodekaeders oder eine Färbung der Gebiete des Dodekaedergraphen nötig.[18]
Wegen der starken Regelmäßigkeit der platonischen Körper kann man leicht andere Körper von ihnen ableiten, die auch wieder sehr regelmäßig sind. Man muss dazu nur die gleichen Konstruktionen symmetrisch auf Flächen, Kanten oder Ecken anwenden. Ein Beispiel dafür sind die dualen Körper, die sich dadurch ergeben, dass man den Mittelpunkt jeder Fläche mit den Mittelpunkten der angrenzenden Flächen verbindet.
Abgestumpfte platonische Körper
Wenn man von einem platonischen Körper ausgehend ein abgestumpftes Polyeder erzeugt, indem man seine Ecken so abschneidet, dass danach alle Kanten gleich lang sind, so erhält man einen archimedischen Körper. Dieser Körper entsteht auch als Schnitt des platonischen Körpers mit seinem passend vergrößerten dualen Körper.
Archimedische Körper sind Beispiele für ziemlich regelmäßige Körper, bei denen Polygone verwendet werden, die zwar regelmäßig, aber von unterschiedlicher Seitenzahl sind.
Der Schweizer Mathematiker Ludwig Schläfli bestimmte 1852 die n -dimensionalen Verwandten der platonischen Körper – allerdings blieb sein Werk lange unbeachtet.[24] Es stellte sich heraus, dass es im 4-dimensionalen Raum zu jedem der fünf regulären 3-dimensionalen Körper (3-Polytope) eine 4-dimensionale Entsprechung, ein reguläres 4-Polytop, gibt, dessen „Oberfläche“ (3-dimensionaler Rand) aus einer Anzahl von „Zellen“ zusammengesetzt ist (jede Zelle ein reguläres 3-Polytop): den 5-Zeller (Pentachoron) aus 5 Tetraedern,[25] den 8-Zeller (Tesserakt) aus 8 Würfeln,[26] den 16-Zeller (Hexadekachor) aus 16 Tetraedern,[27] den 120-Zeller (Hekatonikosachor) aus 120 Dodekaedern[28] und den 600-Zeller (Hexakosichor) aus 600 Tetraedern.[29] Dann gibt es noch ein sechstes reguläres 4-Polytop: den 24-Zeller (Ikositetrachor), der aus 24 Oktaedern zusammengesetzt ist.[30]
Im 5-dimensionalen Raum – und auch in allen Räumen höherer Dimension – gibt es statt fünf oder sechs nur noch drei reguläre Polytope: als Simplex das Hypertetraeder, als Maßpolytop den Hyperkubus und als Kreuzpolytop dessen Dual, das Hyperoktaeder.[31]
Geschichte
Die platonischen Körper wurden seit der Antike studiert. Die Pythagoreer (6. Jahrhundert v. Chr.) unterschieden zumindest zwischen Tetraeder, Hexaeder und Dodekaeder. Das Oktaeder wurde möglicherweise noch nicht beachtet, weil es als Doppelpyramide angesehen wurde. Der Athener Theaitetos (415–369 v. Chr.) kannte auch Oktaeder und Ikosaeder. Er bewies, dass es nur fünf konvexe reguläre Polyeder geben kann.
Der griechische Philosoph Platon (ca. 427–347 v. Chr.), ein Zeitgenosse Theaitetos’, wurde der Namensgeber für die fünf Körper. In seinem Werk Timaios (Kap. 20, 53c4–55c6) beschrieb er sie ausführlich. Er band die platonischen Körper in sein philosophisches System ein, indem er sie (ausgenommen Dodekaeder) den vier Elementen zuordnete (Kap. 21, 55c7–56c7): Feuer stand für das Tetraeder, Luft für das Oktaeder. Das Ikosaeder wurde mit Wasser assoziiert, das Hexaeder mit Erde. Das Dodekaeder ließ sich nach dieser Theorie mit dem von Aristoteles postulierten fünften Element Äther (quinta essentia) gleichsetzen.
Euklid (360–280 v. Chr.) beschrieb die platonischen Körper im XIII. Buch seiner Elemente (§§ 13–17). Darin bewies er unter anderem, dass es genau fünf gibt (§ 18a). Hypsikles nahm im später angefügten „XIV. Buch“ (aus dem 2. Jahrhundert v. Chr.) einige Volumenberechnungen vor. Das „XV. Buch“ (aus dem 6. Jahrhundert n. Chr.) enthielt weitere Entdeckungen griechischer Mathematiker bezüglich der fünf regulären Körper.
Mit dem Aufkommen der Perspektive verarbeiteten mehrere Künstler die platonischen Körper in ihren Werken: Piero della Francesca, Leonardo da Vinci (Illustrationen zu Divina Proportione von Luca Pacioli), Albrecht Dürer, Wenzel Jamnitzer (Perspectiva Corporum Regularium, 1568). Johannes Kepler gelang es (Mysterium Cosmographicum, 1596), die Bahnradien der sechs damals bekannten Planeten durch eine bestimmte Abfolge der fünf Körper und ihrer Innen- und Außenkugeln darzustellen. Diese Interpretation stimmte weitgehend mit den damals bekannten astronomischen Werten überein, entsprach aber tatsächlich keiner Gesetzmäßigkeit.
Erde
Wasser
Luft
Feuer
Äther / Kosmos
Zuordnung der platonischen Körper zu den Elementen in Keplers Harmonice mundi
Anwendungen
Die auffällige Regelmäßigkeit macht die platonischen Körper auf vielerlei Art für den Menschen interessant.
Zusätzlich zum klassischen, geometrischen Würfel, der leicht herzustellen ist und schon seit Jahrtausenden für Glücksspiele verwendet wurde, finden heute auch die anderen platonischen Körper (die ebenfalls als Würfel bezeichnet werden) Anwendung im Spiel, z. B. in Pen-&-Paper-Rollenspielen (siehe Spielwürfel). Die Voraussetzungen dazu sind eine physikalisch gleichmäßige Dichteverteilung – also homogenes Material – sowie die gleichartige Beschaffenheit aller Ecken und Kanten.
Platonische Körper sind seit langem Objekte bildender Künstler. In der modernen Kunst hat sich vor allem M. C. Escher mit ihnen und ihnen ähnlichen regelmäßigen Körpern beschäftigt; auch Werke von Salvador Dalí thematisieren platonische Körper oder ihre Entfaltung.
Platonische Polyeder spielen auch eine wichtige Rolle im Adventure-Spiel The Dig.
Rudolf von Laban konkretisierte seine raum-rhythmische Bewegungslehre (Choreutik) vorwiegend im Modell des Ikosaeders.
Im Management von Teams könne man, laut einem Vorschlag von Stafford Beer, die platonischen Körper als Vorbild für Vernetzung bei Konzentration der Mitarbeiter auf ihre Themen verwenden. Jeder Mitarbeiter entspricht einer Kante, jedes Thema einer Ecke eines platonischen Körpers. Zu jedem Thema trifft man sich regelmäßig mit genau den Mitarbeitern, deren Kanten in dieser Themen-Ecke zusammenlaufen. So bearbeitet ein Mitarbeiter maximal zwei Themen gleichzeitig und kann sich gut konzentrieren. Auch bei großen Teams (z. B. Ikosaeder = 30 Mitarbeiter, 5 Mitarbeiter pro Thema, 12 Themen) sei somit gewährleistet, dass Ordnung herrscht. Beers Idee wurde am Managementzentrum Sankt Gallen aufgegriffen und eine darauf beruhende Methode namens Syntegrity vorgeschlagen.[32]
Auch in der Natur können sich vorhandene Regelmäßigkeiten als platonische Körper ausprägen.
Tetraeder, Würfel und Oktaeder kommen in der Natur als (idealisierte) Kristalle vor; dodekaedrische und ikosaedrische Symmetrieelemente finden sich bei Quasikristallen.
Exakte Dodekaeder kommen nicht als Kristalle vor. Kristalle bestimmter Mineralien, wie z. B. Pyrit, die äußerlich wie ein Dodekaeder aussehen, sind keine exakten Pentagondodekaeder, sondern verzerrt. Allerdings ist die Verzerrung mit dem bloßen Auge aus der Entfernung oft nicht wahrzunehmen. Aus der Nähe betrachtet erkennt man jedoch, dass diese Körper nicht aus regelmäßigen (sondern unregelmäßigen) Fünfecken geformt sind. Zum Beispiel bilden Natriumchlorid und Alaun, das beim Ausfällen mit gewissen anderen Stoffen dotiert ist, Würfelkristalle. Reines Alaun kristallisiert als Oktaeder. Dabei ist die Abgrenzung zwischen den einzelnen Formen nicht absolut, sondern die interne Symmetrie kann sich in unterschiedlichen Ausprägungen äußern. In der Mineralogie fallen alle die platonischen Körper Tetraeder, Würfel und Oktaeder sowie Rhombendodekaeder, Kuboktaeder und ihre Mischformen unter den Begriff kubisch. Nicht wenige Mineralien können dementsprechend mehrere dieser kubischen Formen annehmen. Dazu gehört zum Beispiel Pyrit, das sowohl als Würfel als auch als Oktaeder oder, wie oben beschrieben, als verzerrtes Dodekaeder vorkommt.
Platonische Körper, im Speziellen das Ikosaeder, sind sehr häufig Strukturformen, wie sie bei Clustern (also kleinen Nanoteilchen) beobachtet werden.
Einige der platonischen Körper werden von organischen Kohlenwasserstoffmolekülen gebildet (siehe platonische Kohlenwasserstoffe).
Das Dodekaeder ist die kleinste mögliche Form der als Fullerene bezeichneten hohlen Kohlenstoffmoleküle.
Das Proteinkapsid von Viren kann unterschiedliche Formen haben, zum Beispiel ikosaederförmig.
Die Kalkskelette der Radiolarien haben sehr verschiedene Formen, darunter auch platonische Körper.
Literatur
Paul Adam, Arnold Wyss: Platonische und Archimedische Körper, ihre Sternformen und polaren Gebilde. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1984, ISBN 3-7725-0965-7.
Renatus Ziegler: Platonische Körper. Verwandtschaften, Metamorphosen, Umstülpungen. Verlag am Goetheanum, Dornach/Schweiz 2012, ISBN 978-3-7235-1326-2.